Bastard Operator from Hell 1
 
Autor unbekannt
Gefunden auf einem neuseeländischen FTP-Server zu einer Zeit,
als die meisten von euch noch nicht mal wussten, dass man
Komputer mit K schreibt.
Frei übersetzt von Florian Schiel
Heute ist Backup-Tag. Mein Lieblingstag! Andererseits hat es
natürlich gewisse Vorteile, der Operator zu sein. Ich linke das
tape device nach /dev/null - viel ökonomischer. Zumindest was
meine Arbeitszeit angeht, weil ich nicht alle 5 Minuten Bänder
wechseln muss. Außerdem dauert das Backup nur noch etwa 12
Minuten, also kann es nicht ganz schlecht sein!
Ein Benutzer ruft an.
"Wissen Sie, warum das System so langsam ist?" fragen sie.
"Wahrscheinlich liegt's an ..." Ich schaue nach, was heute dran
ist " ... der Taktfrequenz."
"Ah." Wenn sie nicht wissen, wovon man redet , sind sie
meistens zufrieden. "Wissen Sie, wann das repariert wird?"
"Repariert? Es sind 275 Benutzer auf deiner Maschine, einer
davon bist du. Nun sei ein braver Junge und lass mal ein paar
andere ran. Log aus, Egoist!"
"Aber ... aber die Ergebnisse müssen morgen abgegeben
werden. Ich brauche nur noch eine Seite auf dem Laserdrucker
.."
"Aber klar doch! Erzähl das mal deiner Omama, Bruder!" Ich
hänge auf.
Hunderttausend Höllenhunde! Man sollte meinen, dass sie endlich
lernen NICHT mehr anzurufen!
Das Telefon klingelt wieder. Ich weiß, dass er es ist. So was nervt
mich. Ich verringere meine Stimmlage um 2 Oktaven.
"HALLO, LOHNBUCHHALTUNG!"
"Ah .. oh. Tut mir leid. Ich habe die falsche Nummer..."
"SOOO? Wie ist denn Ihr Name, Freundchen? Wissen Sie,
wie viel Geld uns solche falschen Anrufe kosten? WISSEN SIE
DAS? Ich hätte gute Lust, Ihre vergeudete Zeit, meine vergeudete
Zeit und die Kosten dieses Anrufs von Ihrem Monatsgehalt
abzuziehen! TATSACHE, DAS WERDE ICH AUCH! Wenn ich
mit Ihnen fertig bin, werden SIE UNS Geld schulden! WIE IST
IHR NAME - UND KEINE LÜGEN! WIR HABEN ISDN!"
Ich höre, wie der Hörer 'runterfällt und sich jemand in Trab setzt
- er will sich im Sekretariat des Dekans ein Alibi besorgen. Ich
tippe seinen Benutzernamen ein und rufe im Sekretariat des
zugehörigen Dekanats an.
"Hallo?" meldet sie sich.
"Hallo, Simon, Operator hier. Passen Sie auf! Wenn er in etwa
10 Sekunden in Ihr Büro stürmt, können Sie ihm was
ausrichten?"
"Ich denke schon...", sagt sie unsicher.
"SAGEN SIE IHM: ER KANN RENNEN, ABER ER ENTGEHT MIR NICHT!"
"Ähm, gut."
"Und nicht vergessen. Es wäre doch schade, wenn jemand Ihre
Datei mit den einschlägigen S+M Tipps in Ihrem Account finden
würde..."
Ich höre ihre langen Fingernägel panikartig über die Tastatur
klappern...
"Sparen Sie sich die Mühe - ich hab' bereits 'ne Kopie. Nun
seien Sie eine gutes Mädchen und richten Sie's ihm aus!"
Sie verspricht es heulend.
Das Schlimme an der Sache ist, die S+M Sache war nur geraten.
Trotzdem hole ich mir rasch eine Kopie davon. Könnte mal ganz
gut sein, wenn ich nicht einschlafen kann...
Inzwischen ist das Backup in neuer Rekordzeit zu Ende gelaufen.
11 Minuten und 10 Sekunden. Es lebe die moderne
Rechnertechnik!
Schon wieder klingelt das Telefon.
"Ich brauche mehr Speicherplatz", sagt er.
"Warum ziehen Sie nicht in den Osten?"
"Quatsch, in meinem Account, Sie Idiot."
Idiot? Oh-oh...
"Es tut mir so leid", sage ich wie Mutter Beimer in der
Lindenstraße, "aber ich hab' das nicht ganz mitgekriegt. Was
sagten sie doch gleich?"
Ich kann die aufkommende Angst durch die Leitung riechen.
Aber es ist zu spät: er ist erledigt und er weiß es.
"Ähm, ich sagte, hätte gerne etwas mehr Speicherplatz in meinem
Account, bitte."
"Aber klar. Augenblick mal."
Ich höre ihn erleichtert aufatmen, obwohl er die Sprechmuschel
mit der Hand abdeckt.
"Erledigt. Sie haben massig Platz jetzt."
"Wie viel?"
Das geht mir nun wirklich auf den Keks! Nicht nur, dass sie
dauernd Speicherplatz von mir fordern, sie wollen mich auch
noch kontrollieren und protestieren, wenn ich ihnen nicht genug
gebe. Sie sollten glücklich sein mit dem, was von mir gibt, und
basta!
Wieder mit Mutter Beimer :
"Also, schaun' wir mal. Sie haben 60 MB frei."
"Klasse! 120 MB zusammen. Vielen Dank", sagte er, begeistert
von seiner Verhandlungstechnik.
"Moment!" unterbreche ich. Das muss man genießen wie einen
Südaustralischen bei Raumtemperatur. "60 MB insgesamt."
"Was? Ich habe doch schon 60 MB belegt. Wie kann ich dann
noch 60 MB frei haben?"
Ich sage nichts. Ist auch nicht nötig. Er wird schon noch drauf
kommen.
"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaarrrrrrrrrr
rrggggghhhhhh!"
Ich mag mich, wenn ich eklig bin. Ehrlich!
Ich spiele gerade DOOM an der Masterconsole, als irgend so ein
gedankenloser Bastard anruft.
Ich hebe ab.
"Hallo?", sage ich.
"Wer ist da?", sagen sie.
"Ich denke, ich bin's", sage ich. Wozu habe ich den Kurs 'Erfolgreiches
Verhandeln am
Telefon' absolviert?
"Wer ich?"
"Wird das ein Österreicherwitz?" sage ich, während ich mit allen
verfügbaren Fingern auf den
Feind ballere.
ZU SPÄT. YOU GOT KILLED. GAME OVER.
Meine Laune sinkt von minus zweihundert auf den absoluten Nullpunkt.
"Was kann ich für Sie tun?" Stimme so weich wie Kaschmirwolle - (ein
untrügliches
Warnzeichen!)
"Ähm, Ich hätte gerne gewusst, ob wir ein bestimmtes Software-Paket
haben..."
"Was für eine Software ist das?"
"Ähm, sie heißt B-A-S-I-C."
klickerdiklackerdiklick r-m b-a-s-i-c.e-x-e <
"Hm, tut mir leid, haben wir nicht. Wir hatten das mal..."
"Oh. Na gut, die andere Sache, weswegen ich anrufe: könnte man alle
Daten in meinem
Account auf Band kopieren. Dann hätte ich eine Sicherheitskopie zu
Hause, im Falle eines
Falles..."
"Im Falle eines Falles?"
"Ja, falls sie zum Beispiel aus Versehen gelöscht werden oder so ..."
"GELÖSCHT! Ah, machen Sie sich da mal keine Sorgen. Wir machen doch
Backups."
(Ich bin so ein Schwein!) "Wie ist Ihr Username?"
Er gibt mir seinen Usernamen. Nicht sehr helle!
klickediklackediklick <
"Aber Sie haben doch gar keine Daten in Ihrem Account!" sage ich, baffes
Erstaunen in der
wohlmodulierten Stimme.
"Natürlich habe ich Daten. Sie schauen sicher an der falschen Stelle!"
klickediklackediklick <
"Ah, stimmt. Ich war falsch", sage ich.
Hat er nicht gerade 'Typisch' in seinen Bart gemurmelt? Mein lieber
Freund...
"Ich Wollte sagen: DER USERNAME EXISTIERT GAR NICHT."
"Was?" Wimmern in der Leitung. "Aber da muss einer sein. Ich habe doch
erst heute morgen
darin gearbeitet!"
"Aha! Da liegt das Problem. Sehen Sie, da war ein Virus im System heute
morgen. Der ... äh
.. Leonardo da Vinci Virus. Löscht alle User, die gerade eingeloggt
sind, wenn er losbricht."
"Das kann nicht sein. Meine Freundin war auch eingeloggt, und jetzt bin
ich gerade in ihrem
Account!"
"Und welcher ist das?"
ER SAGT ES MIR. MANCHE LEUTE LERNEN'S NIE.
"Ah, ja. Den Account konnten wir gerade noch retten." >
klickediklackediklick < "Sie hat nur
alle Daten verloren."
"Aber..."
"Keine Sorge. Wir haben doch alles auf Backup."
"Oh, Gott sei Dank!!!"
"Auf Lochstreifen-Backup! Haben Sie einen Leser dafür? Wir nicht! Viel
Spaß!!!"
Ich bin so ein Hund!
Mein Job ist so eine Hetze, dass ich kaum dazu komme, kurz mal ins
Kino zu fahren, bevor die Leute ihre Ausdrucke abholen kommen. Die
Queue ist sowieso viel zu voll, als dass ich alles rechtzeitig
ausdrucken (und sortieren) könnte. Also kille ich alle die kleineren
Jobs bis auf zwei, und die lassen sich im Nu sortieren.
Nach dem Film (einer von diesen Endlos-Bertoluccis, wo der Held
nach drei Stunden endlich in grandiosen Visionen zugrunde geht),
komme ich zurück, um die Ausdrucke auszugeben.
Etwa fünfzig Leute warten draußen und ich habe zwei Ausdrucke.
Stimmt ziemlich gut mit meinem Durchschnitt überein. Andererseits
hätte ich mehr killen sollen. Egal, ich lasse die beiden Ausdrucke
elegant auf den Tisch gleiten, drehe mich um und gehe betont langsam
zurück in meinen Glaskasten. Dabei halte ich deutlich sichtbar das
Clipboard in der Hand, das mit den großen roten Buchstaben
'ACCOUNTS TO REMOVE' auf der Rückseite. Keiner sagt ein Wort.
Wie immer.
Ich sitze wieder gemütlich im Operator Sessel und beobachte den
Überwachungs-Monitor, der zufällig mit dem Videoplayer aus der
medizinischen Optik verbunden ist (zur Reparatur hier; geschätzter
Termin der Rücklieferung irgendwann in 2005). Plötzlich klingelte das
Telefon. Das muss heute schon das zweite Mal sein, und es beginnt mir
auf die Nerven zu gehen.
"Ja?" sage ich und halte das Bild an.
"Ich hab' aus Versehen meinen Lebenslauf gelöscht", sagt die Stimme
am anderen Ende.
"Tatsächlich? Wie war Ihr Username?"
Er sagt es mir. Sch...., wie langweilig.
"Ah, nein. Nicht Sie haben ihn gelöscht - ich war's."
"Was?"
"Ich hab' ihn gelöscht! Er war voll mit Sch...! In keinem einzigen Fach
was Besseres als 'ne zwei!"
"Häh?"
"Und der Mist mit dem Austauschstudium - das war Ihre Freundin,
und wir beide wissen das!"
"Häh??"
"Na, Ihre Studienangaben. Ich hab's nachgeprüft. Sie haben gelogen."
"Wie haben Sie ..." Es klickt deutlich hörbar. "Oh, nein. SIE sind's!
Der BASTARD OPERATOR FROM HELL!"
"Leibhaftig, am Telefon und in Ihrem Account. Es wäre wirklich
besser gewesen, nicht anzurufen, wissen Sie. Vor allem hätten Sie
Ihren Usernamen lieber für sich behalten sollen..."
< klickediklackediklick >
"Tja, und dann hätten Sie dem System Manager keine so böse Mail
schicken dürfen. Eine Mail, die ausdrückt, was Sie von ihm halten - in
hübschen Bildern!"
"Ich habe keine ..."
< klickediklackediklick klick >
"So? Haben Sie nicht? Wer kann das noch sagen heutzutage? Keine
Sorge, bald wird alles vorüber sein...."
< klickediklackediklick klick >
" ... noch den Usernamen zurückändern ..."
< klickediklackediklick >
"B-b-b-b", blubbert er, wie eine desynchronisierte PDP-11.
"Leben Sie wohl", sage ich überfreundlich. "Ich denke, Sie sollten jetzt
besser packen. Viel Spaß beim Neubeginn."
Ich lege auf.
Zwei Sekunden später läutet das rote Telefon. Es ist der Boss. Er
knurrt den Usernamen - von wem wohl? - und etwas über eine
schweinische Mail.
"Sie wissen, was Sie zu tun haben ..." mit den Punkten und allem.
Später, im Abrechnungscomputer der Städtischen Elektrizitätswerke,
während ich die nächste Rechnung des armen Schweins um ein paar
Nullen korrigiere, wundere ich mich wieder einmal über diesen
hartnäckigen und unglaublichen Mangel an Urteilsvermögen - welche
Blödheit kosmischen Ausmaßes treibt sie immer wieder dazu, bei mir
anzurufen. Noch später, als ich im FBI Computer sein Photo von der
WWW Page in die Gesuchtenliste kopiere (die mit dem Label
'Dringend gesucht, bewaffnet und gefährlich, sofort schießen'),
komme ich zu dem Schluss, dass ich es wohl niemals wissen werde -
aber das Leben geht weiter.
Ein paar Stunden später sehe ich die GSG 9 sein Apartment umstellen,
und mir wird klar: für ein paar von uns wird es das nicht.
Aber morgen ist ein neuer Tag.
Es ist Donnerstag und ich bin guter Laune. Es ist Zahltag. Ich denke,
ein paar Anrufe können nicht schaden. Also lege ich den Hörer zurück
auf die Gabel. Es läutet.
"Seit Stunden versuche ich Sie zu erreichen!" schreit eine Stimme am
anderen Ende.
"Nanana, STUNDEN können's gar nicht gewesen sein", sage ich,
während ich 'Blade Runner' ins Cover zurückstecke und mir die
Rückseite anschaue. "Allenfalls 114 Minuten. Ich hatte einen langen
Chat mit dem großen Boss. Versuchte, bessere Technik für unsere
Benutzer herauszuschlagen."
Eins, zwei, drei ...
"Oh, tut mir leid."
"Macht nix. Ich bin nicht nachtragend."
Ich nehme mir vor, sein Passwort in den nächsten Tagen etwas
abzuändern, in etwas, worauf er nicht so schnell kommen dürfte.
"Ähm, ich weiß nicht, wie ich ein File umbenennen kann", sagt er.
Oh, Gott... Moment, es ist ja Zahltag, nicht? Also bin ich guter Laune.
"Aber klar. Tippen Sie nur 'rm' und den Filenamen."
"Vielen Dank."
"Keine Ursache."
(Jetzt bin WIRKLICH guter Laune. Vielleicht sollte ich heute das
Skript fertigschreiben, das Abspeichern zu bestimmten, zufällig
gewählten Zeiten unmöglich macht.)
Das Telefon läutet wieder.
"Hallo?"
"Hallo, ebenfalls", sage ich.
"Ist das der Kontrollraum?"
"Aber klar doch", sage ich, zuckersüß.
"Könnten Sie mir bitte meine Ausdrucke herausbringen? Ich brauche
sie dringend, und der Ausdruck müsste schon seit fünf Minuten zu Ende
sein."
"Ihr Username?" frage ich.
Er gibt ihn mir, und ich notiere ihn für später.
"Kein Problem. Moment.", sage ich und gehe 'rüber zu den Druckern.
Ein RIESEN Haufen von Ausdrucken liegt auf dem Boden. Und,
tatsächlich, sein Dokument liegt ganz oben auf. Ich breite es über dem
Haufen aus und sprühe großzügig unser Spezialfleckenwasser in der
Gegend. Dann fahre ich den schweren Bandwagen ein paar Mal
darüber und klemme es zum krönenden Abschluss vier, fünf Mal in die
schwere Safetüre ein, wo wir die Backup-Bänder aufbewahren sollten.
Hübsch.
"Hier sind Ihre Ausdrucke", sage ich, "Tut mir leid, dass es solange
gedauert hat. Wir haben ein paar kleinere Probleme mit dem Drucker."
Ein Blick und er macht sich fast in die Hose.
"Oh, Gott! Kann ich es noch mal drucken?" fragt er besorgt.
"Aber klar doch", sage ich. "Aber, wie gesagt, unser Printer ist nicht
besonders gut drauf heute."
"Äh, kann ich es auf dem Laser drucken - funktioniert der?"
"Natürlich, aber das kostet eine Kleinigkeit", sage ich, Mitgefühl
verströmend.
"Egal, was es kostet! Das ist hyper-dringend!"
Ich schleiche zurück in den Druckerraum und suche die Toner-
Kassette, die wir für spezielle Fälle aufbewahren - die mit den dicken
schwarzen Streifen in der Mitte und den blassen Rändern. Ich habe
auch ziemlich lange gebraucht, bis sie so gut funktionierte. Der
Ausdruck kommt raus und ich bringe ihn sofort nach vorne. Bloß
nichts verpassen.
"W-w-w-was ist den jetzt passiert", winselt mich der Geck an.
Gut, dass ich den Usernamen notiert habe - Geistige Folter ist
vielleicht
doch etwas, wofür ich mich längerfristig begeistern könnte.
"Äh, nichts. Ich meine, klar: es ist nicht perfekt. Aber der Toner hat
auch schon 47 Tausend Seiten drauf und wurde 17mal nachgefüllt. Ich
finde, es ist noch gut gegen das, was wir sonst so bekommen."
Der Geck zahlt und beginnt zu wimmern.
"Na, kommen Sie. Kein Grund zum Heulen. Haben Sie die Arbeit auf
Disketten?"
Er gibt mir eine kleine Plastikbox mit Disketten. Ich hüpfe schnell
rein
und lege sie kurz auf den Lösch-Magneten. Ich gehe wieder hinaus.
"Tut mir so leid, aber mir fällt gerade ein, dass unser Lesegerät
hinüber ist.
Sie müssen damit zu dem Druckerraum U am anderen Ende des
Campus - kennen Sie den? - und es dort ausdrucken. Dort sollte es
klappen. Die haben gestern einen neuen Toner bekommen."
"SUPER!"
"Gern geschehen. Und denken Sie daran: immer die Disketten hoch
über dem Kopf halten. Das Erdmagnetfeld ist heute wieder extrem
stark."
"Häh???"
"Keinen langen Reden. Machen Sie's."
Er marschiert los, die Disketten hoch über dem Kopf.
Manchmal hasse ich mich selbst.
Die dauernde Langeweile bringt mich um. Also lese ich User Email, um
die Zeit tot zu schlagen. Allerdings muss ich zugeben, dass die heutige
Lieferung auch nur zum Gähnen anregt. Nicht eine wirklich gute
Nachricht darunter. Nicht mal versteckte Andeutungen über Fummeln
im Supermarkt, wie sonst. Gar nichts. Statt dessen muss ich mir den
üblichen Sch... zu Gemüte führen: Welcher Verwandte wann welche
Art von Operation über sich ergehen lassen muss, und welche es nicht
überlebt haben, wie das Wetter auf der anderen Seite des Erdballs ist -
die Sorte von Redundanzmails, die nur unsere Queues vollknallen!
Um die Sache etwas aufzulockern, hole ich eine persönliche Party-
Einladung aus einer Mailbox, poste sie unter dem Namen des Senders
in alt.singles.with.severe.social.dysfunctions im USENET und mache
eine Notiz in meinem Kalender, damit ich rechtzeitig dort bin - mit
meiner Videocamera. Könnte was werden!
Was steht als nächstes an? Ah ja, die medizinische Datenbank, in der
die Vertrauensärzte der Uni die Krankheitsgeschichten der Angestellten
speichern. Ich grepe schnell mal durch nach 'Herpes' und 'Syphilis'
und verkaufe die Ergebnisse an die lokale Boulevardpresse.
Um meine Spuren zu verwischen, gehe ich in den Account des
Oberarztes und füge dort folgenden Eintrag in sein online Tagebuch
ein:
"€ 500, Med. Daten an Zeitung"
Sollte ausreichen!
Ich schichte ein paar Bänder aus den Regalen auf den Laborwagen und
zurück, damit es so aussieht, als ob wir sie tatsächlich verwenden.
Dann gehe ich ins Archiv und suche nach einem bestimmten,
verborgenen X-GIF Server, von dem ich gehört habe. Als ich ihn
finde, starte ich einen Batch unter einem User-Account um die Bildchen
'runter zu laden - natürlich auf seine Kosten. Gerade noch rechtzeitig
fällt mir ein, ob auch genug Speicherplatz für die Bilder frei ist. Um
ganz sicher zu gehen, entferne ich alle Dateien auf der Platte, die nicht
direkt mit dem Batch zu tun haben. Zum Beispiel die ganzen LaTeX
Dokumente "diss*.*"; die sind in letzter Zeit sowieso schon wieder viel
zu groß geworden.
Zurück in User Email schaue ich, ob sich inzwischen was getan hat.
Naaah. Schließlich grepe ich alle files nach 'schwanger', 'Scheidung'
und 'Therapie' und poste sie anonym in eine lokale Klatsch-
Newsgroup.
Dann, bevor ich auch nur piep sagen kann, ist der Strom weg! In der
nächsten Sekunde läutet schon das Telefon.
"Hallo?" sage ich, wütend - der Coyote hat den Roadrunner gerade fast
am Wickel gehabt!
"Was ist mit dem Comp..."
Ich hänge auf. Jetzt geht's um Leben oder Tod. So schnell ich kann,
reiße ich das Stromkabel des Mainframes aus der Notstromversorgung
und schließe fieberhaft mein TV daran an. Verdammt! Der Roadrunner
war wieder schneller!
Inzwischen fangen überall die Warner an zu jaulen, weil die
Hauptplattenspeicher 'runterfahren. Aber was soll's? Mein Mac und
mein Terminal sind sowieso fest mit der Notstromversorgung
verbunden, und ich bin im Beer Factory Level in Dark Castle.
Das Telefon klingelt schon wieder. Also lasse ich die
Kommunikationssicherung am Notstromschaltkreis herausschnappen
und endlich ist Ruhe. Um ganz sicher zu gehen, hole ich den
Hockeyschläger aus dem Spind und übe ein bisschen Einer-gegen-die-
Wand. Durch das Glasfenster schaut das aus, als ob ich wie ein
Wahnsinniger nach dem Fehler suche - wie üblich.
10 Minuten später ist der Strom wieder da und die Diagnose meldet
zwei Hard Disk Crashs auf dem Main Level, zum Teufel damit! Ich
habe keinen Mann verloren, bin kurz vorn letzten Level und im TV
kommen noch mehr Cartoons!
Das andere Telefon läutet, ein User (welch Überraschung!).
"Kontrollraum", sage ich, so richtig im Stress.
"Wann wird der Computer..."
Ich lege auf.
Im Moment komme ich ganz gut voran. Nur noch ein Wizard, der
unablässig Bannflüche schleudert, steht zwischen mir und dem letzten
Bild. Gleich bin ich drin!
Das Telefon läutet schon wieder! Mit einem raschen Hieb schalte auf
Freisprechen.
"Kontrollraum", brülle ich, voll involviert.
"Ich hab' meine Files gelöscht. Meine Daten sind weg", winselt ein
User über den Lautsprecher.
"Aber sicher doch", sage ich, weil ich mich nicht erinnern kann. Diese
Bemerkung genügt, um mich den Bruchteil einer Sekunde abzulenken.
Der Wizard nagelt mich in den Boden und schmeißt mir noch einen
Feuerball hinterher. GAME OVER.
"Wie war Ihr Username?" sage ich mit Honig gesalbter Stimme.
Er sagt es mir. Ich schaue nach - und er hat recht. Sch...., dabei war
ich es nicht mal!
Um meinen guten Ruf zu wahren, wechsele ich sein Login Directory
nach /dev/null, setzte seinen Pfad auf '.' und setzte einen alias auf sein
'news' Kommando, welches ein scheußliches kleines Skript in seinem
früheren Home Directory startet. Das Skript schickt eine nicht mehr
ganz politisch korrekte Email an die Beauftragte für
Gleichberechtigungsfragen der Uni und löscht sich anschließend selbst.
Wohl bekomm's!
Es ist Freitag; also gehe ich früher zur Arbeit, sogar noch vor dem
Mittagessen. Das Telefon klingelt. Sch....
Ich blättere den Ausredenkalender um.
"Sonneneruptionen" steht da. Ok, darüber muss ich erst ein bisschen
recherchieren. Zwei Minuten später bin ich fit für den ersten Anruf.
"Hallo?" sage ich.
"WO SIND SIE GEWESEN! ICH HABE SCHON DEN GANZEN
VORMITTAG ANGERUFEN UND NIEMAND GEHT RAN!"
Ich hasse es, wenn sie mich schon am frühen Morgen anbrüllen. Es
deprimiert mich irgendwie. Sie wissen, was ich meine ...
"Äh, ja. Tja, wir hatten heute morgen auch wieder extrem starke
Sonnenaktivität. Das kann böse Auswirkungen auf die
Kommunikationsleitungen haben...", sage ich, zuckersüß.
"Häh? Aber sonst habe ich doch jeden erreicht?!"
"Tja, das ist durchaus möglich. Die Auswirkungen erhöhter
Sonnenaktivität sind ziemlich un-vor-her-seh-bar. Letzte Woche hatten
wir sogar den Fall, dass ein paar Files einfach vor den Augen ihres
Besitzers verschwunden sind, während er noch damit gearbeitet hat ..."
"Wirklich?"
"Kein Sch...! Äh, wollen Sie, dass ich Ihren Account schnell checke?"
"Äh, ja. Ich hab ein paar wichtige Dateien drin..."
"Ok, wie war noch Ihr Username ..."
Er sagt ihn mir. Ehrlich, eine Mücke mit einem Sprengsatz zu
erledigen, ist schwieriger. Mit einem atomaren Sprengsatz. Mit AWAC
Unterstützung. Sch....!
(Ich verzichte ab jetzt auf den klickediklackediklick Teil, ok?)
"Wie viele Dateien sind in Ihren Account?" frage ich.
"Ähm, also, etwa 20 in meiner Doktorarbeit, circa 10 mit den Daten
dazu, und noch etwa 20 für das Buch, das ich gerade herausgebe."
"Hm. Ich glaube, wir schauen erst mal, was noch zu retten ist. Also,
da sind noch zwei Files lesbar, .cshrc und .login ..."
"AAAAAAAAAAAaaaaaaaaaarrrrrrrrrggggggghhhhhhhh!!!!!!!"
Er schluchzt leise ins Mikrophon - mir kommen auch die Tränen!
"Was mach' ich nur?" schnüffelt er.
"Ok, haben Sie irgendwas davon auf Floppy gesichert?"
"Schon, aber die sind schon Wochen alt!"
Ich spiele mit dem Schalter des Floppy-Löschers.
"Ok", sage ich, "wie wär's, ich komme kurz rüber und lade die
Backups in Ihren Account, damit Sie pronto weiterarbeiten können?"
"Das wäre toll", wimmert er, "aber die Floppys habe ich zu Hause. Ich
fürchte, die muss ich heut' Nacht selber runterladen."
"Gut. Aber denken Sie daran, was ich vorhin gesagt habe:
Sonneneruption sind Gift für Disketten und Maschinen. Sie müssen
Ihre Floppys unbedingt vor der gegenwärtigen Sonnenaktivität
schützen. Sonst verlieren Sie noch alle Daten."
"Wie mach ich das? Sie in Alufolie wickeln?"
"UM GOTTES WILLEN, NEIN! Alufolie ist das Schlimmste! Sie
wissen doch was mit Alufolie im Microwellenherd passiert, oder?!"
"Doch.."
"Dann verwenden Sie's auch nicht! Es gibt nur eine sichere Methode,
Disketten erfolgreich zu schützen..."
"Und wie?"
"MAGNETISCHE FELDER! Packen Sie Ihre Floppys in einen
Kopfkissenbezug gefüllt mit möglichst vielen Magneten. Sie können
zum Beispiel die von Ihrem Kühlschrank nehmen. Sie wissen schon,
mit denen Sie ihre Zettel dort festpinnen - Solarpartikel hassen
magnetische Felder."
"Wow. Danke."
"Gern geschehen. Es ist nur mein Job..."
Sch...., ich mache Fortschritte.
Ich finde, so ein verantwortungsvoller Posten wie meiner sollte mit
einer angemessenen Mittagspause vergütet werden. Für die paar
Stunden setze ich den Hausmeister auf meinen Stuhl, damit es nicht so
aussieht, als wir unsere Pflichten vernachlässigen würden (sic!). Ich
erkläre ihm, dass er nur darauf achten muss, dass der Hörer nicht aus
Versehen auf der Gabel landet. Er ist einverstanden und ich
verschwinde.
Zuerst die Bank. Ich lasse 20 Euro in Zehncentstücke wechseln
und frage dann nach meinem Kontostand. Während der Angestellte
noch tippt, ziehe ich unauffällig den Netzstecker von seinem Endgerät.
Es stirbt natürlich und ich sage, dass ich in Eile bin und dass ich gerne
den Manager von diesem Sauladen sehen möchte.
Er walzt durch die Tür wie ein gut gefüttertes Riesenbaby und fragt
mich, ob es ein Problem gäbe. Ich sage, alles, was ich wolle, sei mein
Kontostand und ob das denn zuviel verlangt sei und dass ich immer
noch in Eile sei. Dann kreuze ich die Finger. JA! Er findet das
herabhängende Netzkabel, steckt es wieder rein und loggt sich ein,
MIT DEM MANAGER ACCOUNT.
Ich stolpere wie zufällig an den Schalter und stoße aus Versehen 200
Zehncentstücke hinunter. Der Manager beachtet mich nicht, aber
alle anderen tauchen nach den Münzen. Ich beobachte ungestört, wie er
sein Passwort eintippt - mit der halsbrecherischen Geschwindigkeit von
einem Zeichen pro Sekunde! Gar kein Problem, der Hardliner macht es
mir sogar noch leichter, indem er ein semantisches Wort als Passwort
gewählt hat: ZINSEN. So ein Scherzkeks! Ich verziehe keinen
Gesichtsmuskel. Nicht ganz einfach, wenn ich an meine überschuldete
Hypothek denke. Heute Nacht werde ich da einiges richtig stellen...
Ein Benutzer, den ich noch vom D(eletion)-Day '01 kenne, nähert sich,
um mich anzuquatschen. Sogar der Manager schüttelt abwehrend den
Kopf, aber es ist zu spät. Er hält direkt vor mir und richtet das Wort an
mich!
"Ähm, Entschuldigung. Könnten Sie mir einen Tipp geben, welchen
Computer ich am besten für meine Diplomarbeit kaufe?"
?!
Genau.
"Schon mal vom neuen Pentium gehört?" frage ich.
"Ja..."
"Meiden Sie den wie die Pest! Kaum jemand weiß das, aber man
handelt sich fürchterliche Probleme ein, wenn man ein Betriebssystem
so schnell laufen lässt. Manche von den Kisten machen über 100
Millionen obstructions per second. Sie können sich ja vorstellen, dass
da eine solch billige Kiste aus dem Takt kommen muss, nicht? Die
Katastrophe ist praktisch vorprogrammiert!"
"Oh!"
"Nehmen Sie lieber was Sicheres und Bewährtes. Ein ZX81 mit dem
doppelten Cassettenlaufwerk, wenn Sie das kriegen können. Im
Vertrauen: Die sind nicht mehr leicht zu bekommen, weil alle Leute, die
wirklich was davon verstehen, natürlich nur bewährte Technik kaufen.
Kaufen Sie bloß keine Harddisk dazu. Sie haben doch sicher schon
gehört, wie oft die kaputtgehen? Cassetten dagegen halten ewig!"
"Danke, super!"
"Keine Ursache! Wie war doch noch gleich Ihr Username?"
Er sagt ihn mir. Gerade noch rechtzeitig für D-Day 01. Man sollte
meinen, dass sie's irgendwann lernen!
Zurück an meinem Arbeitsplatz finde ich den Hausmeister -
eingeschlafen vor dem Terminal. Ich frage ihn, ob er nicht lieber hier
arbeiten möchte, aber er lehnt dankend ab. Hier hat er nicht die
Möglichkeit, Leute in der Toilette aufzuschrecken...
Ich lege den Hörer zurück auf die Gabel und sofort klingelt es. Ich
hasse es, wenn es das tut. Ich brauche immer eine Ewigkeit, die
Earphones nachher wieder reinzupfriemeln.
Diesmal ist es anders. Die heißeste Mieze auf dem Campus ist dran -
und sie hat ein Computerproblem! Ich liebe solche Augenblicke. Sie
machen den Job erst dazu, was er ist.
"Wie ist Ihr Username?" frage ich - als ob ich es nicht auswendig
wüsste.
So schnell ich kann überfliege ich ihre persönliche Email - das meiste
nur todlangweiliges Zeug - und grepe die gesamte User Email nach
ihrem Usernamen. Nichts - vortrefflich!
"Wie kann ich Ihnen helfen?" flöte ich charmant.
"Ich kann mein Dokument nicht abspeichern. Es sagt etwas mit
zuwenig Speicherplatz."
"Das werden wir gleich haben", sage ich und lösche alle anderen Files
auf ihrer Platte - außer den ihrigen natürlich. "Jetzt sollte alles
funktionieren..."
"Oh, vielen, vielen Dank", haucht sie ins Mikrophon.
Ich notiere mir, dass ich morgen wieder etwas an ihren Account
herumdoktere.
Das Telefon läutet, fast bevor ich es wieder auf der Gabel habe.
"Meine Daten sind alle weg!" schreit jemand am anderen Ende.
"Wann war das?" frage ich.
"Gerade eben...", sagt er schluchzend.
"Aha. Tja, Kopf hoch. Es sind noch drei Tage bis zum Semesterende.
Wenn Sie Tag und Nacht dran bleiben, werden Sie schon noch eine
Drei minus schaffen:"
Er schluchzt noch zwei-, dreimal leise und legt auf. Schwächling!
Das Telefon läutet schon wieder!
"Der Bildschirm an meinem PC ist so schwach. Ich kann kaum die
Buchstaben erkennen. Soll ich den Helligkeitsregler hochdrehen?"
"NEIN!" schreie ich. "Fassen Sie den Knopf nicht an! Haben Sie auch
nur die leiseste Ahnung, was da für eine Strahlung 'rauskommt, wenn
Sie den Knopf ganz zum Anschlag drehen?!"
"Also ich .." sagt sie verunsichert.
"HÖREN SIE AUF MEINEN RAT!" sage ich. "Es gibt nur einen
SICHEREN WEG, ein schwaches Display aufzumöbeln, und das ist:
Nadelenergieimpulse in die Treiber geben!"
Die Worte 'Nadelenergieimpulse ' und 'Treiber' sind zuviel für sie.
Wenn Leute solche Ausdrücke hören, gehen sie automatisch in
'dumme mode' und machen ALLES, was ich sage. Ich könnte ihr jetzt
vorschlagen, nackt, nur mit einem Netzkabel bekleidet über den
Campus zu sprinten und sie würde es wahrscheinlich
machen...Hmmmm.
"Haben Sie zufällig ein übriges Netzkabel 'rumliegen?"
"Nein..."
"Oh, na ja. Dann müssen wir das mit den Nadelimpulsen probieren...
Also, Sie schalten jetzt so schnell Sie können Ihren PC ein und aus.
Einfach den Kippschalter hin und herflippen, verstehen Sie? Etwa
dreißig mal."
"Soll ich vorher meine Disketten 'rausnehmen?"
"NEIN! Wollen Sie alle Ihre Daten verlieren?!"
"Oh. Nein, natürlich nicht. Also..."
Ich lausche gespannt.
..klick klack klick klack klick klack klick klack klick klack kl BUMM!
Erstaunlich! 27 oder 28. Normalerweise macht sich das Netzteil schon
nach dem achten oder neunten Mal in die Hose!
"MEIN COMPUTER! ER RAUCHT!" schreit sie an anderen Ende.
"Wirklich?? Da muss ein Fehler im Netzteil gewesen sein! Gut, dass wir
das geklärt haben! Haben Sie noch Garantie auf die Maschine?"
"NEIN!"
"Du liebe Güte! Was für ein Pech! Tja, dann hilft nur reparieren lassen.
Haben Sie wenigstens Ihre Daten gesichert?"
"Ja, ins System, gestern erst. Aber die ganze Arbeit von heute morgen
ist futsch!"
"Sie Ärmste! Wie war Ihr Username? Ich will gleich mal checken, ob
Ihre Backups ok sind..."
Sie sagt ihn mir...